COPD-Tagebuch
Betroffene und
Leidensgenossen
Werfen wir einen Blick auf ein Ereignis, das eine
Zeitenwende für meine neue COPD Verbündete und liebgewonnene Freundin bedeutet.
22. September 2018
Die Wahrheit offenbart sich schonungslos vor uns. 36 Stufen,
2. Obergeschoss. Mit großen ungläubigen Augen schaut sie mich fragend an. „Kein
Aufzug?“ „Nein, da musst du jetzt irgendwie hoch“, mehr als diese Belanglosigkeit
kommt mir nicht über die Lippen im ersten Moment, Sekunden später hör ich mich im
Merkelschen Stil nachhaken „ Du schaffst das“.
Verunsicherung
schleicht sich an und die Erinnerung kommt zurück.
Noch vor wenigen Monaten lag sie nach einer Exazerbation im
Koma, im Leben zurück ist Sauerstoff rund um die Uhr ihr Wegbegleiter, tägliche
Kortisonmengen haben ihren Organismus geschwächt. Ihre Freundinnen, die sich um
sie kümmern und plegen, haben mir quasi meine Freundin für den heutigen Tag
anvertraut, sie hat vertrauensvoll eingewilligt. Und jetzt das hier. Sollte es
so kommen? Soll das heute eine
Bewährungsprobe für ihren neuen Heilungsweg sein?
Werde ich als Sünderin
abgestraft für meine Unaufrichigkeit?
Ich hatte ihr verschwiegen, dass es im Wohnhaus meiner
zweiundneunzigjährigen Tante keinen Aufzug gibt. Es bleibt tatsächlich nur der
Weg über die Treppe. Oder wir fahren ohne meine Tant zu besuchen, nach Hause. Gedanken wie: „Ist doch Kamikaze, was ich hier
tue. Was ich selbst vor 3 Jahren nach der Diagnose COPD riskierte, kann und
darf ich doch hier nicht meiner neuen Verbündeten und lieb gewonnenen Freundin zumuten,
die meinen Heilungsweg geht“ schossen mir durch den Kopf, doch diese
Negativgedanken verdrängt ich und mache mir Mut, dass alles gut ausgeht.
Kann auch sie ihren Körper besiegen, mit eisernem Willen,
ihrem Geist den kraftvollen Auftrag erteilen, die Lunge jetzt zu trainieren?
Ich lege meinen Arm um ihre Schulter, drücke sie und
besänftige: „Vertrau`mir, mache genau das, was Du geübt hast. Ab sofort Mund
geschlossen halten, nicht mehr reden, nur noch atmen über die Nase, und zwar
wenig… wir erklimmen diesen Berg und wenn wir in der Hälfte im ersten
Obergeschoss stehen, verspreche ich Dir, machen wir eine Pause“. Sie nickt mit
dem Kopf und hakt sich in meinen rechten
Arm ein, während ich ihr das schwere Gerät des mobilen Sauerstoffkondensators
abnehme. Ich spüre, dass sie mir vertraut. Es ist so, als wolle sie für diese
Hürde, die vor ihr liegt, jeden Atemzug in mein Leben legen.
„Mund zu, durch die Nase atmen, Treppenstufe hoch und Stop“,
mache es so, wie wir und Du es geübt haben“, meine eindringlichen Worte verinnerlicht
sie. Ich beobachte, dass sie die Augen schließt, die Lippen zusammenpresst,
meinen Arm nach unten drückt und die erste Treppenstufe nimmt. Ich ziehe das
Sauerstoffgerät hinterher und wir pausieren
. Mit dieser Methode ganz systematisch erklimmen wir Stufe für Stufe, zwischendurch höre ich mich immer
wieder sagen: „wenig einatmen und diese Luft einhalten, dabei Mund geschlossen
halten, es passiert nichts, Du wirst nicht hyperventilieren“. Wie ein Mantra
wiederhole ich meine Sätze solange, bis wir plötzlich im ersten Flur stehen,
und 18 Stufen hinter uns liegen. Wir schauen zurück und atemen befreit auf. Sie
fällt mir
in die Arme, juchzend vor
Freude: „Ich bin gar nicht außer Atem gekommen, es funktioniert tatsächlich,
ich habe es geschafft“.
Diese Atemmethode
sorgt für einen Ausgleich an Kohlendioxid, weil wir eine bestimmte Menge CO2,
die unsere COPD Lunge braucht, einhalten.
Als wir dann mit Nasenatmung wenig später die zweite Hürde
mit 18 Stufen ins 2 Obergeschoss erfolgreich genommen haben, ohne dass sie
irgendein Anzeichen einer Hyperventilation verspürt, kullern auch mir Tränen
der Freude über die Wangen. Eine Last fällt von meiner Schulter. Befreit
resümiere ich: „Heute ist dein erster Tag in Deinem neuen COPD-Leben. Du hast
einen Meilenstein durchbrochen. Die Buteyko- Atemmethode mit wochenlangem Zwerchfelltraining
beginnt sich auzuwirken.
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