Atemlos durch den Lockdown
Schleichend nimmt er uns die Luft zum Atmen, schränkt unser Leben weiter ein, der Lockdown in diesem Monat, mindestens bis zum 20. Dezember. Was für Gesunde schwierig, ist für uns COPD Patienten eine große Herausforderung. Weitere 3 Wochen Stillstand. Kein Schwimmbad, kein Fitnessstudio. Unsere Lunge muss da durch. Zwischen kalter Außenluft und trockener Heizungsluft die richtige Balance zu finden, um sich keinen Infekt einzufangen, ist nicht einfach. Chronisch Erkrankte brauchen Bewegung und Ausdauersport als tägliche Medizin. Der Lockdown öffnet Tür und Tor für Exazerbationen.
„Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner“
Eine Devise, damit umzugehen. Kein Prozent meiner Lungenleistung einbüßen, das ist das erklärte Ziel. Mein FEV 1 möchte ich bis ins neue Jahr 2021 halten und keinesfalls verschlechtern. So muss ich weiter dafür Sorge leisten, dass Rücken und Bauchmuskulatur stabil und trainiert bleiben, damit die geschwächte Lunge Platz hat, sich auszudehnen. Wenn die Atemmuskeln, in der die Lungenflügel eingebettet sind, nicht belastet werden, dann ist der COPD Patient schon in der Ruhephase, oder wenn er nur kleine Schritte geht, geplagt von Kurzatmigkeit.
Treppensteigen oder längere Wegstrecken werden zur Qual. Deshalb ist es so wichtig, Kraft aufzubauen. Und zwar Muskelgruppen ringsum, die um die Brust und auf dem Rücken. Die Ausatmung, die sogenannten Exspirationsmuskeln, lassen sich gut mit einem Terraband trainieren. Sie befinden sich überwiegernd auf der Vorderseite des Brustkorbs. Mit ausgestreckten Armen das Gummiband in die Länge ziehen, zehn Sekunden halten und wieder loslassen. Gleiche Übung mit den Inspirationsmuskeln zum Einatmen auf dem Rücken. Sie befinden auf der Rückseite des Brustkorbs. Automatisch mittrainiert werden die Zwischenrippenmuskeln, überall rund um den Brustkorb. Zur Wahrheit gehört, dass im Moment sehr viele Betroffene zu wenig oder gar nichts machen.
Was nicht benötigt wird, muss weg
Nach dieser Leitlinie reagiert unser Körper, wenn wir nichts tun. Wenn er bemerkt, dass die Atemmuskeln nicht belastet werden, beginnt er mit dem Abbau. Innerhalb von 2 bis 3 Wochen verlieren wir an realer Kraft und Muskelmasse. Als Folge davon kann sich die Lunge nicht mehr gut ausdehnen, der Luftraum wird knapper, uns fällt das Atmen schwerer. Aber es lohnt sich, täglich zu üben. Denn unser Körper ist intelligent und hat so etwas wie ein Muskelgedächtnis. Eine gute Nachricht für alle, die mit ihrem Muskeltraining pausieren müssen. Der Körper gibt uns die alte Muskelmasse schneller zurück als wenn sie komplett neu aufgebaut werden müsste. Sport und Bewegung sind gerade jetzt doppelt wichtig. Wir haben nicht nur lockdown, sondern vor uns genüssliche Festtagswochen.
Corona Pfunde sind Gift für die Lunge
Übergewicht ist, wie wir alle wissen, ist ein Risikofaktor für COPD Betroffene. Gerade jetzt locken übervolle Regale mit Leckereien und Völlereien. Jedes Pfund mehr erschwert das Durchatmen. In der Bewegung muss der Körper jedes Kilo mitschleppen. Nicht ohne Folgen für Steroide und Hormone. Daraus kann sich als mögliche Nebenwirkung ein sogenanntes Cushing-Syndrom entwickeln. Fett polstert besonders gern die Körpermitte auf, auch das Gesicht schwemmt auf. Übergewicht und Fettleibigkeit beeinträchtigen die Kurzatmigkeit. Auch die Gefahr einer obstruktiven Schlafapnoe lauert. Durch die ernsthafte Störung während des Schlafes mit der Blockierung der Atemwege kommt es wiederholt zu verlängerten Atemaussetzern. Die COPD kann aber komplett gegensätzlich verlaufen.
Untergewicht hat dramatische Folgen
Als Pink Puffer sind die Untergewichtigen in der pneumologischen Fachwelt bekannt. Der Organismus muss so viel Energie aufwenden für die Atemarbeit, dass er alles aus der Nahrung zieht. Auch wenn es am Anfang schwer fällt, Bewegung und Muskeltraining sind für den Pink Puffer die beste Medizin. Das Sterberisiko, so die Online Ausgabe der Ärztezeitung, sei für untergewichtige COPD Patienten höher.
Wer wissen möchte, ob er normal-/ unter-/ oder übergewichtig ist, kann dies unter folgendem Link erfahren und überprüfen:
http://bmirechner24.de/
Was aber nützen alle Massnahmen, die Lunge zu stärken, wenn wir es anderen überlassen.
Wir vertrauen Pneumologen die Behandlungsstrategie unserer COPD an, und lassen sie entscheiden, was uns gut tut oder nicht. Wir machen die Krankenkassen verantwortlich, wenn es uns schlechter geht, weil REHAS, Therapien und Medikamente abgelehnt werden. Wir legen unsere Lungenleistung in die Hände von Lungensportgruppen und Fitnessstudions, die uns im Moment Stillstand verordnen. Wir machen das Wetter dafür verantworlich, wenn wir nicht raus gehen können. Im Angelsächsischen ist es auf den Punkt gebracht:
Wer ist der Busfahrer in ihrem Leben? Sie selbst oder sitzt ein anderer am Steuer?
Machen Sie sich ehrlich. Selbsterkenntnis ist das Wichtigste. Dann kann die Selbstdisziplin reifen. Wir haben die Macht, Dinge zu verändern. Wissenschaftler erforschten, dass sich Willenskraft trainieren lässt wie jeder einzelne Muskel. Dazu müssen wir unseren inneren Schweinehund überlisten. Belohnen wir uns mit einem kleinen Weihnachtsgeschenk. Ein Happen meiner Lieblingssüßigkeit wartet auf mich nach meiner Trainingseinheit mit dem Terraband. Das löst ein gutes Gefühl in mir aus. Belohnungsnachschub lässt sich jeden Tag planen. Auch gestern, als mich ein Capuccino mit Sahne zuhause wärmte und belohnte, nachdem ich in der Kälte zu Fuß einkaufen war und 6000 Schritte auf meinem Konto hatte. Der Adventskalender sollte mit Etappenzielen und Belohnungslisten ausgestattet sein. Es lohnt sich heute anzufangen. In diesem Sinne eine schöne Adventszeit.